Die Geschichte der Trakehnerzucht in Bayern

Wenn man an Trakehner in Bayern denkt, fallen einem zunächst die Namen von bedeutenden Gestüten ein, die auch die Bundeszucht entscheidend prägten: Das Gestüt Nannhofen, 1959 gegründet und 50 Jahre später aufgelöst, ebnete dem Trakehner in Bayern den Boden. 13 gekörte Hengste, darunter Spitzenvererber wie Waldzauber, Grimsel und Gelria, erstklassige Stuten wie die Elitestuten Griseldis und Libussa, und Sportpferde mit Erfolgen bis Klasse S in allen Disziplinen stellen die züchterische Bilanz.

Familie Zeising baute Anfang der Sechzigerjahre auf dem Gut Schwaighof in der Nähe von Augsburg eine hochklassige Zucht auf. Der Name Schwaighof ist eng verbunden mit dem des herrlichen Maharadscha, hier wurde der legendäre Flaneur gezogen, hier erfuhr die schmale Familie der Carajan-Mutter Cajenne eine kaum erwartete Blüte mit bedeutenden Stutenmodellen wie z.B. Chamonix, Courage und Casablanca. Hier erblickte eine wahre Phalanx an Sportpferden im ländlichen Bereich das Licht der Welt, die dem Schwaighof lange Jahre einen Spitzenplatz unter den Zuchtstätten von Trakehner Sportpferden verschafften.

Aus kleinen Anfängen entstand Mitte der Sechzigerjahre das Gestüt Schralling von Hans Ernst Wezel, das vor allem im Sport Furore machte. Peron war Mannschafts-Bronzemedaillengewinner der Olympiade Atlanta 1996, Inster Graditz und Schalk waren bis zur schweren Klasse im Vielseitigkeitssport erfolgreich. Für seine Verdienste erhielt Hans Ernst Wezel die Freiherr-von-Schrötter-Gedächtnismedaille und die Dr.-Fritz-Schilke-Gedächtnismedaillen in Silber und Gold.

Das Gestüt Hörstein bei Aschaffenburg, noch heute mit Weltgeltung, gehörte bis zu seinem Wechsel in den Zuchtbezirk Hessen zu den wichtigsten Zuchtstätten des Trakehners in Bayern mit entsprechenden züchterischen Erfolgen – so stellte Hörstein die Siegerstuten der drei ersten bayerischen Landesschauen. Ebenfalls in den Sechzigerjahren begann die Blüte des Gestüts Meierhof in Seeon, wo Beate und Wolfgang Heise mit Erfolg auf der Basis der Elitestuten Isola Negra und Korscha sowie einiger weiterer interessanter Stammstuten Trakehner züchten. Das Gestüt Meierhof, inzwischen im Zuchtbezirk Baden-Württemberg zu Hause, stellte mit Isola Isodora v. Gadsby die Siegerstute der bayerischen Landesschau 2001.

Diesen größeren Gestüten kam in der Anfangszeit sicherlich eine Führungsrolle in der bayerischen Trakehnerzucht zu. Ältere Trakehner Freunde werden sich auch noch an die prägenden Zuchtstätten Gut Postschwaige mit Vater und Sohn Werchau, den Floigerhof, Miesbach, Irene Reverchons herrliche Schimmel aus der Stutenfamilie der Elfe, das heute von Tochter Michaela und Enkelin Laura weitergeführte Gestüt Seeor von Dr. Wilhelm Schultz in Mühldorf/Inn und andere erinnern. Das Gestüt Aichen von Adolf Dörfler und der Leichthof der Familie Leicht/Mechler waren geprägt vom Pferdeverstand ihrer Gründer. Einige dieser Zuchtstätten sind heute schon Geschichte, neue sind hinzugekommen.

Doch Basis auch der hiesigen Zucht ist der sogenannte kleine Züchter, für den die Trakehnerzucht in aller Regel Hobby ist, der mit Herzblut und viel Passion seine züchterischen Ideale verfolgt. Genau diese „kleinen Züchter“ sind es, die immer wieder mit Aufsehen erregenden Erfolgen vom Trakehner Pferd aus Bayern reden machen – nur ein paar Beispiele: Jörg von Imhoff zog den gekörten und springerfolgreichen ersten in Bayern gezogenen Elitehengst Parforce und die beiden internationalen Buschpferde mit Elitetitel Banteer und Bunbury; der Vier-Sterne-Buschcrack Salino TSF stammt aus der Zucht von Johann Roidl; Lana Lee, bis Inter I erfolgreiches Dressurpferd und mittlerweile auch Elitestute, wurde bei Dr. Sabine Prager-Kaiser gezogen; Ursprung TSF, Peron junior und Lamborgini sind weitere international erfolgreiche Dressurpferde aus kleinen bayerischen Züchterställen. Jongleur hielt die Fahne der bayerischen Trakehner, u.a. mit WM-Bronze 1997, im Fahrsport hoch.

Zucht & Sport - Hand in Hand

Zucht und Sport sind zwei Seiten einer Medaille, das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Die Integration der Reiter in die Strukturen des Verbandes ist denn auch das langfristige Ziel des südlichsten deutschen Zuchtbezirks. Bayern hat deshalb schon vor Jahren – noch unter der Ägide des ehemaligen Zuchtbezirksvorsitzenden Gerhard Linner und unter Federführung von Dr. Lutz Schubert – ein Sportförderprogramm aufgelegt. Das umfasste Lehrgänge bei renommierten Ausbildern und auch das über lange Jahre beliebte jährliche Trakehner Turnier in Kreuth bzw. später in Mainburg. Innerhalb von nur fünf Jahren schaffte es der Zuchtbezirk mit Hilfe dieser Fördermaßnahmen, die Zahl der in Bayern platzierten Trakehner zu verdreifachen – eine einmalige Leistung!

Pioniergeist

An Pioniergeist und Innovationsfreude mangelt es den bayerischen Trakehnerzüchtern beileibe nicht. Lange bevor andere Zuchtbezirke mit Pauken und Trompeten „Jungelch“-Aktivitäten aus der Taufe hoben, hatte der Zuchtbezirk unter Federführung von Gerhard Linner seine Züchterjugend schon mustergültig in die alltägliche Zuchtarbeit und hinter die Kulissen größerer Veranstaltungen integriert.

Auch das freiwillige Freispringen bei der Zentralen Stuteneintragung, unter dem Aspekt der sportlichen Vererbung geradezu ein Muss für die Top-Nachwuchsstuten, ist eine bayerische Erfindung, die mittlerweile Eingang in allen anderen Zuchtbezirken gefunden hat.

Trakehner und die Landeszucht

Ebenso wenig wie bayerische Reiter haben bayerische Warmblutzüchter an sich Vorbehalte gegen Trakehner. So drückte als erster Komet vom Staatlichen Versuchsgut Achselschwang aus der bayerischen Warmblutzucht seinen Stempel auf. Sein Nachfolger Escorial sorgte für gute Springanlagen, der polnische Trakehner Amor hinterließ wichtige Gründerstuten im damaligen Stammgestüt Schwaiganger; der Schwaighofer Maharadscha genoss größtes Ansehen in Bayern und hinterließ für das Landgestüt unter anderem Mahdi, Siegerhengst der bayerischen Hauptkörung.

Dr. Eberhard Senckenberg verhalf dem Trakehner in der bayerischen Warmblutzucht erneut zu einer Renaissance – die Landbeschäler In Flagranti, Zauberfürst und Halimey Go in jüngster Vergangenheit legen davon Zeugnis ab. Heute lässt sich das Haupt- und Landgestüt bei großen Hengstschauen gern vom Trakehner Elitehengst Hibiskus vertreten – wohl wissend, dass Flair, Ausstrahlung und Charisma eines solchen Edelpferdes für positives Image sorgt.

Visionen

Mit Dr. Lutz Schubert steht seit nunmehr 14 Jahren in Bayern ein Bezirksausschussvorsitzender an der Spitze, der zwar diplomatisch agiert, doch beseelt ist von Visionen und sehr konkreten Idealen. Der Zuchtbezirk will helfen, den Trakehner Verband zu einem modernen Dienstleistungs- und Informationsunternehmen für Züchter und Reiter weiterzuentwickeln. Für dieses Ziel baut Schubert auf ein gemischtes Tearn aus „Altgedienten“ als Garanten für eine kontinuierliche Zuchtpolitik und neuen, jüngeren Mitgliedern mit Ambitionen in sportlicher Hinsicht.

Ihm zur Seite stehen u. a. Olympia-Vielseitigkeitsreiterin Dr. Annette Wyrwoll ein Mitglied der Sportkommission des Verbandes, und Erin Raili, selbst erfolgreiche Züchterin und Mutter einer auf Trakehnern sporterfolgreichen ambitionierten jungen Dressurreiterin – Namen, die bei der Sportförderung in Bayern sicher weitere Akzente setzen.

Ein großes Anliegen ist Schubert die internationale Ausrichtung der Trakehner Zucht. Zur Sicherung der Genreserven und zum Erhalt der Zucht selbst ist der enge Zusammenhalt zwischen Verband und allen Trakehner Tochtergesellschaften unabdingbar. Schubert schwebt ein internationales Trakehner Stutbuch vor – eine Vision, von der wir derzeit noch weit entfernt sind ...


GRISELDIS v. Pindar xx – DLG-Siegerstute 1972, Bundessiegerin 1975, vierfache Hengstmutter und Elitestute. Foto: Archiv Trakehner Verband/I. Bergmann


Nie zuvor in der Geschichte des Hengstmarkts wurden zwei Vollbrüder mit dem Titel des Siegerhengstes bedacht: FARINELLI und FREUDENFEST (im Bild) v. Tolstoi vom Gut Schwaighof schafften es.
Foto: Archiv Trakehner Verband/Beate Langels



Das Gestüt Schralling des charismatischen Züchters Hans Ernst Wezel steht wie kaum ein zweites für Experimentierfreude: Vollblut und russische Gene fanden hier reiche Verwendung, sportliche Aspekte stehen dabei immer im Vordergrund. Eines der großen Aushängeschilder dieser Zuchtstätte ist PERON v. Mahagoni, der mit der US-Amerikanerin Michelle Gibson im Sattel Bronze bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta holte. Foto: Archiv Trakehner Verband


„Zucht und Sport Hand in Hand“ ist das – gelebte – Motto der jungen Zuchtstätte der Familie Raili am Zellsee in Wessobrunn. Mutter Erin Raili züchtet mit großer Passion und sehenswerten Erfolgen, von denen Klassensiege und Sieger-Familiensammlungen bei Landesschauen zeugen. Tochter Nicole Raili stellt die Pferde aus eigener Zucht im Dressursport vor. Bisheriges Highlight dieser geradezu idealen Symbiose ist der TSF-Werbeträger POMMERY v. Hibiskus – gezogen von Erin Raili, ausgebildet und sportlich erfolgreich vorstellt bis Prix St. Georges/Inter I von Nicole Raili. Der Wallach ist nun in Frankreich bei einer ambitionierten Amazone zu Hause.
Foto: Erin Raili


Blutgeprägt, vielseitig einsetzbar, charakterlich einwandfrei und robust aufgewachsen – das sind die Trakehner aus dem jungen Gestüt St. Vitus der Familie Lindemeir-Trippel in Günzburg. 2015 wurde der erste Hengst aus der Zucht des Trakehnerhofs in Neumünster gekört: RÄUBERFÜRST v. Lossow wird seine züchterische Laufbahn auf dem Söderhof beginnen. Foto: Jutta Bauernschmitt


Einen Fokus auf den Trakehner als „Botschafter der Basis“ setzt auch die junge Trakehnerzucht der Familie Krein/Rindle in Wehringen bei Augsburg, deren Hintergrund und Umfeld reiterlich geprägt ist. Mut zum Blut, Mut zu jungen Beschälern und Mut zum eigenen Hengst pflastern den Erfolgsweg dieser Zuchtstätte. Belohnt wurde das u. a. mit der Siegerstute der Zentralen Eintragung Bayern 2012, DESPINA v. Halimey Go, die zudem eine hervorragende SLP absolvierte.
Foto: Jutta Bauernschmitt


Blutgeprägte Vielseitigkeitspferde sind – wen wundert’s? – das Zuchtziel der Busch-Olympionikin Dr. Annette Wyrwoll in ihrem Trakehnergestüt Neuhof in Duggendorf in der Nähe von Regensburg. Die Pferdefachtierärztin widmet sich seit Ende ihrer aktiven reiterlichen Karriere mit Elan der Trakehnerzucht. Das bislang erfolgreichste Pferd aus der Zucht des Gestüts Neuhof ist LACORNA v. Cornus, die sich im Sport bis Dreisterne-Vielseitigkeit und M-Springen bewährte und nach 10-jähriger Sportkarriere auf die erste Besamung tragend war. Foto: Jutta Bauernschmitt