Mythos Elchschaufel

Die Trakehner sind eine außergewöhnliche Pferderasse – in jeder nur denkbaren Weise. Sie sind die älteste Reitpferderasse Deutschlands, sie verfügen über eine geradezu sagenhafte Geschichte, sie sind Produkte einer Reinzucht und sie sind bereits seit dem Ende des Krieges weltweit aufgestellt.

Trakehner sind die älteste Reitpferderasse Deutschlands. Viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte bevor alle anderen Pferderassen den Umzüchtungsweg vom Kutschpferd oder landwirtschaftlichen Nutzpferd zum Reitpferd einschlugen, war der Trakehner bereits DAS Reitpferd der Kavallerie und auch der königlichen Marställe. Fast 285 Jahre Erfahrung in der Reitpferdezucht sind ein Alleinstellungsmerkmal der Pferde mit der Elchschaufel auf dem Hinterschenkel.

Trakehner polarisieren, keine Frage. Entweder man ist ihnen mit Haut und Haaren verfallen oder man verteufelt sie als „siebten Gewährsmangel“. Ein Stückweit ist das sicher in der Geschichte dieser Rasse begründet. Anfangs konnten viele an ruhige Kutsch- und Pflugpferde gewöhnte Pferdeleute mit den hochblütigen, „nervigen“ Reitpferden nichts anfangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die geflohenen Pferde und Menschen aus dem Osten als zusätzliche „Fresser“ alles andere als willkommen – ohnehin vorhandene Vorurteile wurden heftigst geschürt. Und in der heutigen modernen Zeit eines schrumpfenden Pferdemarktes mit europäischer, ja weltweiter Konkurrenz haben es kleine Zuchtpopulationen wie die Trakehner schwer, ihre passende Nische im Sportpferdemarkt zu besetzen und zu behaupten.

Geschichte

Die Anfänge der Zucht in Ostpreußen lassen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Deutschordensritter züchteten damals auf der Basis des örtlichen Schweikenponys mit edlen Hengsten Militärpferde. 1732 gründete Friedrich Wilhelm I. das „Königliche Stutamt Trakehnen“ im Osten seines Reiches. Das Ziel des preußischen Soldatenkönigs war, die Kavalleriepferde selber zu züchten. Das Land rund um den Gründungsort „Trakischken“, was Lichtung bedeutet, wurde gerodet und trocken gelegt. Bereits im August 1739 schenkte der König bei seiner letzten Inspektionsreise das Gestüt seinem Sohn, Kronprinz Friedrich – der konnte sich damals bereits über hohe Gewinne mit seinem neuen Besitz freuen, was allerdings nicht immer zum Wohl der Zucht war. Die Gestütsanlagen wurden parkähnlich angelegt und es entstand im Laufe der Zeit ein Staat im Staate, der sich selbst versorgen konnte. Auf 10.000 Hektar verteilten sich 16 Zuchthöfe mit großer Landwirtschaft, eigenen Handwerksbetrieben, Krankenhaus und Apotheke sowie Schulen und Friedhöfen. Um die tausend Menschen arbeiteten 1940 in Trakehnen.

Seit 1787 ist der Brand mit der siebenendigen Elchschaufel das Erkennungsmerkmal der Trakehner und der Ostpreußen. Alle im Hauptgestüt Trakehnen geborenen Pferde – die eigentlichen Trakehner also – erhielten die einfache Elchschaufel auf den rechten Hinterschenkel gebrannt. Zu den Aufgaben des Gestüts gehörte aber auch die Versorgung der ostpreußischen Landeszucht mit geeigneten Landbeschälern. Zudem unterhielten private Züchter im Land große Gestüte mit florierender Zucht. Diese Pferde wurden – wie heute noch – als Ostpreußisches Warmblut Trakehner Abstammung bezeichnet und erhielten bzw. erhalten den Brand der doppelten Elchschaufel auf den linken Hinterschenkel. Im Jahr 1944 waren bei der ostpreußischen Stutbuchgesellschaft 15.000 Mitglieder registriert. 750 Hengste waren für die Zucht anerkannt. Die Zahl der Zuchtstuten betrug 14.000. Jährlich bewarben sich über 160 Hengste in Königsberg um das Prädikat „gekört“. Zur Blütezeit veranschlagt man die ostpreußische Stutenpopulation auf auch heutzutage schwer vorstellbare 25.000 Stuten und 1.200 Hengste!

Die für die Kavallerie, also die berittene Armee, gezüchteten Pferde eigneten sich in Friedenszeiten natürlich besser als jede andere heimische Pferderasse für den Einsatz im Reitsport. Bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 setzte das deutsche Team, auf dem natürlich ein immenser Siegesdruck lastete, auf Trakehner Pferde. Sie holten sechs goldene und eine Silbermedaille. Legendär wurde Nurmi (geb. 1925 v. Merkur, Z.: Hans Paul, Rudwangen), der in der Military unter Hauptmann Ludwig Stubbendorf die Goldmedaille errang.

Den beiden Weltkriegen mit hohem Verschleiß an Pferden folgte der vollständige Niedergang. 1945 mussten die Trakehner aus Ostpreußen fliehen. Ein kleiner Teil schaffte den Treck in den Westen und sicherte den Fortbestand der traditionsreichen Rasse. Gerade mal 1200 Pferde schafften mit ihren Züchtern die wohl härteste Leistungsprüfung der Welt – doch im Westen wurde der Bestand nochmals dezimiert. Am Ende blieben nicht einmal 600 Stuten und 45 Hengste für den Wiederaufbau der Zucht. Auf dem Gebiet der späteren DDR fanden sich nach Kriegsende etwa 660 Trakehner Pferde, darunter 489 Stuten und vier Hengste mit vollständigen Papieren. War Schleswig-Holstein im Westen eines der wichtigsten Gebiete der Trakehner nach dem Krieg, so war es in der sowjetisch besetzten Zone Mecklenburg-Vorpommern, da einige Trecks hier die Flucht beendet hatten. In Rostock-Dummerstorf wurde beim Institut für Tierzuchtforschung die Reinzucht weiter betrieben. Auch den Gestüten Graditz und Ganschow kommt herausragende Bedeutung auf diesem Gebiet zu. Trakehner Hengste konnten für die Sportreiterei in der DDR viele hochveranlagte Pferde stellen, die auch bei Olympischen Spielen eingesetzt wurden. Zwar wurde auch die Pferdezucht unter dem SED-Regime vereinheitlicht. Die Pferde reiner Trakehner Abstammung erhielten aber zusätzlich zum Einheitsbrand „Schlange mit Pfeil“ noch ein „T“. Ein wichtiges Stück Individualität im real existierenden Sozialismus.

Der Name Fritz Schilke – in Königsberg Geschäfts- führer der ostpreußischen Stutbuchgesellschaft – ist auf immer untrennbar mit der Rettung der organisierten Trakehnerzucht im Westen Deutschlands verbunden. Zusammen mit Siegfried Freiherr von Schroetter – seinerzeit Vorsitzender der Stutbuchgesellschaft – sorgte Schilke dafür, dass die über ganz Westdeutschland verstreuten Pferde registriert wurden, dass Hengste in den Landgestüten aufgenommen wurden, dass Gestüte wie Rantzau, Birkhausen und Hunnesrück gegründet wurden und dass die Zuchtorganisation Fortbestand hatte. Viele der geretteten Pferde wurden ohne Papiere aufgefunden; als ihrer edlen Rasse zugehörig konnte man sie nur anhand des Brandzeichens erkennen. Dem folgte mit den geretteten Stutbuchunterlagen eine mühsame Identifizierungsarbeit …

Im Oktober 1947 wurde in Hamburg-Farmsen die „Gesellschaft der Züchter und Freunde des Ostpreußischen Warmblutpferdes Trakehner Abstammung“ gegründet – die kurz „Trakehner Verband“ genannte Vereinigung hat heute ihren Sitz in Neumünster. 1962 fand der erste Trakehner Hengstmarkt in Neumünster statt.


Trakehner Tor
Foto: Archiv Trakehner Verband


„Wer Trakehner züchtet und reitet, dem ist dieses Pferd in seiner originalen Ausprägung als Edelpferd mit Typ und Flair auch ein ästhetischer Genuss und er fühlt sich innerlich mit ihm verbunden.
Wer sich den Trakehnern verpflichtet fühlt, der wusste immer, dass erheblich mehr Leistungswille und Leistungsvermögen in diesen Pferden steckt als auf großen und kleinen Turnierplätzen sichtbar wurde. Wenn diese Pferde in die richtigen Reiterhände kommen, sind sie nach wie vor zu überragenden Leistungen in der Lage. Ihre Reiter zeigen auch, wie edle, blutgeprägte Pferde ganz nach vorn geritten werden können. Hier zeigt sich auch die inzwischen über 250-jährige Selektion auf Reitpferdeeigenschaften und das ist auch durch weitgehende Reinzucht genetisch manifestiert.“

Holger Heck (†),
Journalist & Trakehnerzüchter



Schloss Trakehnen, das Landstallmeisterhaus
Foto: Archiv Trakehner Verband



Die bekannt schweren Jagden auf dem Gelände des Hauptgestüts waren legendär
Foto: Archiv Trakehner Verband



Der Hauptbeschälerstall des Hauptgestüts Trakehnen
Foto: Archiv Trakehner Verband



Flucht mit dem Treckwagen in eine ungewisse Zukunft
Foto: Archiv Trakehner Verband



Quellen:
Webseite Trakehner Verband
Dr. F.Schilke - Trakehner einst & jetzt